Staatstrauer für einen Weltenlehrer. Millionen Menschen nahmen am 27. April 2011 weltweit Abschied von Sri Sathya Sai Baba
Sri Sathya Sai Babas letzte Ruhestätte

Puttaparthi/Indien: Hunderttausende von Anhängern und zahlreiche Offizielle, unter ihnen der indische Premierminister Manmohan Singh, die Congress Präsidentin Sonia Gandhi und weitere Minister und Präsidenten aus verschiedenen Staaten Indiens drängten sich gestern und heute in der der südindischen Kleinstadt Puttaparthi. Mit einem Staatsbegräbnis wurde der Weltenlehrer und spirituelle Meister Sri Sathya Sai Baba verabschiedet. Der 85-Jährige war am Sonntag nach einem vierwöchigen Krankenhausaufenthalt infolge von Herz-, Lungen- und Nierenproblemen an Organversagen gestorben. Indiens Regierungschef Singh würdigte Sai Baba, der als der weltweit bekannteste „Guru“ (spiritueller Lehrmeister) gilt, als „Inspiration“ für Menschen aller Glaubensrichtungen. Er habe Millionen Menschen dazu bewogen, ein „sittliches und sinnstiftendes Leben zu führen“.

Da Sai Baba alle Religionen gleich berechtigt anerkannte, waren auch zahlreiche religiöse Führer unter den gut 15.000 geladenen Gästen, und während der Zeremonie wurden Texte aus dem Hinduismus, Buddhismus, Christentum und Islam rezitiert. Nach den letzten Riten wurde sein Leichnam auf der mit einem roten Vorhang verhüllten Veranda der Sai Kulwant Halle zur Ruhe gebettet.

Bereits in den vergangenen Tagen hatten nach unbestätigten Schätzungen über eine Million Menschen unter großen Sicherheitsvorkehrungen von dem in einem gläsernen Sarg in seinem Ashram aufgebahrten Lehrer Abschied genommen. Weltweit wurde die im indischen Fernsehen und über das Internet live übertragene Bestattung in der Versammlungshalle des Ashrams mitverfolgt. Zu den rund 50 Millionen Anhängern Sathya Sai Babas gehören zahlreiche Künstler, Sportler und bekannte Persönlichkeiten, die an den Feierlichkeiten teilnahmen. Wegen der großen Bedeutung des Verstorbenen, vor allem im sozialen Bereich, wurde von der Landesregierung eine viertägige Staatstrauer angesetzt.

Sathya Sai Baba wurde 1926 im Dorf Puttaparthi im Staate Andhra Pradesh in Südindien, etwa 150 km nördlich von Bangalore geboren. Im Alter von vierzehn Jahren erklärte er seiner Familie und den Dorfbewohnern, dass sein Name Sathya Sai Baba sei und dass er die Aufgabe habe, die Menschheit spirituell zu erneuern und die höchsten Prinzipien von Weisheit, Tugend, Liebe, Friede und Gewaltlosigkeit zu lehren. Von Kindheit an soll Sai Baba über außergewöhnliche Fähigkeiten wie beispielsweise das Materialisieren von Gegenständen aus dem Nichts, das Hervorbringen von Heiliger Asche als Symbol der Vergänglichkeit, das gleichzeitige körperliche Erscheinen an verschiedenen Orten, sowie die Fähigkeit, Krankheiten zu heilen und die Lebensgeschichten der Menschen bis ins Detail zu kennen, verfügt haben. Sai Baba selbst betonte, dass diese sogenannten Wunder nichts anderes als seine „Visitenkarten“ seien, welche lediglich dazu dienten, die Menschen zu inspirieren und sie zu ermutigen, ihren eigenen spirituellen Weg zu gehen.

Die Anhängerschaft Sathya Sai Babas versteht sich nicht als Religionsgemeinschaft oder Sekte. Seine Lehre beruht auf universellen Idealen wie Wahrheit, Rechtschaffenheit, Friede, Liebe und Gewaltlosigkeit und richtet sich an die gesamte Menschheit; sie zog spirituelle Sucher aller Glaubensrichtungen aus allen Nationen an. Im Laufe der gut sieben Jahrzehnte seines Wirkens pilgerten Millionen von Menschen aus aller Welt nach Puttaparthi. Gleich am Eingang seines Ashrams empfing eine große Säule mit den Symbolen der Weltreligionen die Gläubigen aus aller Welt. Sai Baba wollte keine neue Religion begründen, sondern bestärkte die Menschen darin, ihre eigene Religion noch ernsthafter zu leben. Sein Ziel war es, menschliche Werte zu verankern; Werte, die zu allen Zeiten und in allen Kulturen ihre Gültigkeit haben und sich insbesondere nicht von ethischen Werten, wie sie auch das Christentum lehrt, unterscheiden.

Mit einfachen Maximen wie „Hilf immer, verletze niemals“ oder „Liebe alle, diene allen“, erreichte Sai Baba Menschen aller Schichten. Im Laufe seines über 70-jährigen Wirkens sind unter seiner spirituellen Führung Einrichtungen zum Wohle von Millionen von Menschen entstanden, vor allem der Ärmsten. In vielen Bundesländern Indiens und später auch in Übersee sind zahlreiche Bildungseinrichtungen von der Grundschule bis zur Universität entstanden. Das Sai-Erziehungssystem ist überkonfessionell und völlig kostenfrei. Es gründet auf der Werteerziehung und verbindet Wissenschaft, Kunst und Spiritualität in allen Bereichen der Ausbildung. Besonderer Wert wird auf den Dienst an der Gesellschaft und auf Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen gelegt.

Ein weiterer Beitrag zum Dienst an der Gesellschaft sind zwei große Krankenhäuser in Puttaparthi und in Bangalore, die zu den größten spezialisierten Kliniken im asiatischen Raum gehören. Patienten aus aller Welt, vorzugsweise die Ärmsten der Armen Indiens, werden hier bis hin zur Operation am offenen Herzen kostenlos behandelt. Die Krankenhäuser verfügen über modernste medizintechnische Einrichtungen und beschäftigen mehrere hochspezialisierte Ärzteteams. Darüber hinaus ermöglichen ambulante Kliniken und sogenannte Medical Camps der Landbevölkerung eine medizinische Grundversorgung.

Die langen Dürreperioden im Süden Indiens veranlassten Sai Baba, zwei groß angelegte Wasserprojekte zu initiieren, die er nach Fertigstellung der jeweiligen Landesregierung übergeben hat. Für mehrere Millionen Menschen in 750 Dörfern in Andhra Pradesh sowie in der Millionenstadt Chennai (Madras) wurde kostenlos sauberes Trinkwasser zur Verfügung gestellt und dafür in kürzester Zeit Tausende Kilometer Wasserleitungen verlegt und Hunderte von Wasserreservoirs errichtet.

Sai Babas Anhängerschaft in aller Welt wird auf etwa 50 Millionen geschätzt. In 126 Ländern haben sich Gruppen und Zentren gebildet, in denen sich die Anhänger zu Gebet und Meditation, zu gemeinsamem Singen und zu Aktivitäten des Dienstes am Nächsten regelmäßig treffen. In Deutschland gibt es zurzeit rund 45 dieser Zentren.

Bist du ein Muslim, dann werde ein guter Muslim. Bist du ein Christ, dann werde ein guter Christ. Bist du ein Hindu, dann werde ein guter Hindu. Habe volles Vertrauen in deine Religion und führe ein ideales Leben. Das ist wahre Hingabe und wahre Befreiung.

04.09.1998

Folgt der Religion, in die ihr hinein geboren wurdet oder für die ihr euch entschieden habt, und lebt täglich in Übereinstimmung mit gutem Verhalten und Moral.

Pressetext der Sathya Sai Organisation vom 27.04.2011 (geändert am 08.05.2011)